Was ist BEM?

BEM steht für „Betriebliches Eingliederungsmanagement“. Im Mittelpunkt dieses Prozesses stehen die Wiederherstellung, der Erhalt und die Förderung der Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.

 

Welche rechtliche Grundlage gibt es für das BEM?

Die Rechtsgrundlage in Deutschland findet sich im Neunten Sozialgesetzbuch (§ 84 Abs. 2 SGB IX). Dieser Paragraph schreibt ein Betriebliches Eingliederungsmanagement vor, wenn Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig waren. Das BEM zielt auf Maßnahmen zur Überwindung der Arbeitsunfähigkeit, zur Vorbeugung erneuter Arbeitsunfähigkeit sowie zum Erhalt des Arbeitsplatzes.

Die rechtliche Grundlage in Österreich ist das Arbeit-Gesundheit-Gesetz (AGG). Ein BEM wird für Unternehmen gesetzlich in dezitierter Form nicht vorgeschrieben. Das Sozialministerium bietet jedoch österreichweit für Betroffene als auch für Unternehmen auf freiwilliger Basis kostenfreie Angebote und Beratung unter der Marke „fit2work“ (http://www.fit2work.at). Zudem bietet das Sozialministeriumservice Beratungsangebote für Unternehmen bei der Implementierung von BEM – beispielsweise in Oberösterreich durch das Betriebsservice (http://www.betriebsservice.info).

 

Für wen gilt das BEM?

Die Vorschrift zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement (§ 84 Abs. 2 SGB IX) gilt in Deutschland für alle Beschäftigten, d.h., Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, ebenso für Beamtinnen, Beamte sowie für außertarifliche Angestellte, auch Auszubildende, Aushilfskräfte und Teilzeitkräfte (auch mit weniger als 18 Wochenstunden), die innerhalb eines Jahres (12 Monate) ununterbrochen oder länger als sechs Wochen arbeitsunfähig sind. (vgl. hierzu auch Düwell 2014, S. 564)

 

Muss der Arbeitgeber ein BEM durchführen?

Ja. In Deutschland ist der Arbeitgeber nach sechs Wochen Arbeitsunfähigkeit eines Beschäftigten verpflichtet, ein BEM anzubieten. Er klärt „mit der zuständigen Interessenvertretung im Sinne des § 93, bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann“.

In Österreich besteht keine Verpflichtung zur Durchführung von BEM. Jedoch ist es im Sinne des Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) eine immer wichtiger werdende Säule neben dem Arbeitsschutz/-sicherheit (verpflichtend) und der Betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF), die freiwillig ist. Besonders hervorzuheben ist, dass BEM sekundär- und tertiärpräventiv wirkt, die beiden anderen Säulen primärpräventiv.

 

Haben die Interessensvertretungen beim BEM Mitbestimmung?

Mit dem BEM in Deutschland bestehen eine Reihe von Mitwirkungs- bzw. Mitbestimmungsrechten für Betriebs- oder Personalrat sowie Schwerbehindertenvertretung und damit Handlungsmöglichkeiten auf die Gesundheitsförderung von Beschäftigten Einfluss zu nehmen. (vgl. hierzu auch Düwell 2014, S. 566-569)

Initiativrecht: Die Interessensvertretungen haben nach § 84 Abs. 2 SGB IX ein „eigenes Initiativrecht zur Einleitung und Durchführung“ des BEM, welches allerdings die Zustimmung der/des BEM-Berechtigten voraussetzt.

Überwachungsrecht: Ebenfalls haben die Interessensvertretungen die Einhaltung des in § 84 Abs. 2 SGB IX geforderten BEM zu überwachen.

Mitbestimmungsrecht: Wie das Verfahren des BEM auszusehen hat, unterliegt der Mitbestimmung. Es sind schutzbedürftige Persönlichkeitsinteressen berührt, z.B. Schutz vor Krankheit und Behinderung, psychosoziale Aspekte, arbeitsplatzbedingte Ursachen von Erkrankungen, Entbindung von Ärzten und Beratern von der Schweigepflicht. Dies fällt in den Bereich des § 87 Abs. 1 Ziff. 1 Betriebsverfassungsgesetzes. Weiter gilt die Mitbestimmung, weil die Durchführung des Eingliederungsmanagements geregelt werden muss („Ordnung des Betriebes“), wie z.B. Datenerhebung, BEM-Gespräche, Klärung der Zuständigkeiten, Beteiligung betrieblicher und außerbetrieblicher Akteurinnen und Akteure. Zudem ist das Eingliederungsmanagement Bestandteil des Arbeits- und Gesundheitsschutzes (§ 87 Abs.1 Ziff.7 BetrVg).

Bei der Entwicklung von BEM-Projekten in Österreich wird auf die dialogische Entwicklung mit DienstgeberInnen- und DienstnehmerInnen-VertreterInnen Wert gelegt. Diese ist aus der Praxiserfahrung unumgänglich bei der erfolgreichen und nachhaltigen Implementierung von BEM in Unternehmen.

 

Muss die/der BEM-Berechtigte der Durchführung des BEM zustimmen?

Ja. Die Teilnahme am BEM ist freiwillig, dies bedeutet zum einen, dass der/die BEM-Berechtigte nicht zum BEM gezwungen werden kann. Zum anderen muss der/die Beschäftigte dem BEM-Verfahren zustimmen. Wichtig ist, dass eine Ablehnung dem/der BEM-Berechtigten nicht zum Nachteil ausgelegt werden darf. Die Zustimmung kann jederzeit zurückgezogen werden.

 

Wer ist am BEM beteiligt?

Zuallererst die/der BEM-Berechtigte selbst. Nach § 84 Abs. 2 SGB IX wird „mit Beteiligung der betroffenen Person“ nach Möglichkeiten für die Wiederherstellung, den Erhalt sowie der Förderung der Arbeitsfähigkeit gesucht. Weiterhin hat der Arbeitgeber mit der zuständigen Interessensvertretung gemeinsam für ein geeignetes Verfahren zu sorgen. Sind Menschen mit Schwerbehinderung betroffen, ist die Schwerbehindertenvertretung (in Österreich: Behindertenvertrauenspersonen) einzuschalten. Soweit erforderlich wird der Werks- oder Betriebsarzt hinzugezogen.

Auch sollten externe Stellen hinzugezogen werden, wenn Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben in Betracht kommen. Hier ist werden vom Arbeitgeber die örtlichen gemeinsamen Servicestellen bzw. die Rehabilitationsträger oder bei schwerbehinderten Beschäftigten das Integrationsamt (in Österreich: Sozialministeriumservice) hinzugezogen.

Die Interessenvertretung sowie Schwerbehindertenvertretung wachen darüber, dass der Arbeitgeber die ihm nach § 84 Abs. 2 SGB IX obliegenden Verpflichtungen erfüllt.

Neben den oben genannten Personen ist es von Fall zu Fall auch sinnvoll weitere Personen mit einzubeziehen: Führungskraft/Vorgesetzter, Fachkraft für Arbeitssicherheit, Gleichstellungsbeauftragte, Datenschutzbeauftragte, externe Akteurinnen und Akteure (z.B. die jeweiligen Rehabilitationsträger oder Kooperationspartner).

In der Praxis haben sich zur Durchführung BEM-Teams (Mitglieder sollten aus Vertreter des Arbeitgebers, Betriebs- oder Personalrat sowie Schwerbehindertenvertretung bestehen) oder Ansätze wie das „Arbeitsfähigkeitscoaching“ (vgl. Giesert, Reiter, Reuter 2013) bewährt. Von zentraler Bedeutung ist dabei die ausreichende Qualifizierung der Verantwortlichen.

 

Welchen Nutzen hat das BEM für den Arbeitgeber?

Das BEM hat zum Ziel, Arbeitsfähigkeit wiederherzustellen, zu erhalten und zu fördern. Damit trägt das BEM auch zur Vermeidung von Fehlzeiten und zum Erhalt von wertvollem Erfahrungswissen – bspw. durch Erwerbsminderungsrenten – im Unternehmen bei. Insofern ist ein gut gestaltetes BEM auch im ökonomischen Interesse der Unternehmen.

Unternehmen, die ein gut gestaltetes BEM durchführen, haben folgende Vorteile (Giesert, Reiter, Reuter 2013, S. 8):

  • „Verbesserung der Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten im Unternehmen,
  • Erhalt von Expertinnen- und Expertenwissen,
  • Zufriedenheit und höhere Identifikation der Beschäftigten mit dem Unternehmen,
  • Leistungsbereitschaft der Beschäftigten,
  • Aufbau einer glaubwürdigen Vertrauenskultur im Unternehmen,
  • positiver Imagefaktor mit Blick auf die Personalgewinnung,
  • Inanspruchnahme externer Leistungen (z. B. finanzielle,
  • materielle Unterstützung sowie Beratung durch Rehabilitationsträger),
  • höhere Produktivität und Qualität,
  • höhere Wettbewerbsfähigkeit,
  • geringere Fluktuation,
  • nachhaltiges Betriebliches Gesundheitsmanagement mit dem Arbeitsschutz, dem BEM und der Betrieblichen Gesundheitsförderung,
  • ein strukturierter, prozess- und ergebnisorientierter Ablauf, der einen umfassenden Datenschutz beachtet,
  • kontinuierliche Verbesserung des BEM im Betrieblichen Gesundheitsmanagement,
  • aktive Beschäftigte durch die Beteiligung beim BEM-Prozess,
  • gemeinsame Gestaltung und Durchführung des BEM mit Arbeitgeber und betrieblicher Interessenvertretung,
  • ein akzeptiertes, gelebtes und vertrauensvolles BEM“

 

Welchen Nutzen hat das BEM für die Beschäftigten?

Auch bei den Beschäftigten ist der Nutzen direkt aus der Zielsetzung des § 84 Abs. 2 SGB IX abzuleiten. Das BEM soll die Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit des Beschäftigten wiederherstellen, erhalten sowie fördern und darüber hinaus den Arbeitsplatz erhalten. Ein gut gestaltetes BEM orientiert sich an diesen Zielsetzungen und sucht nach Möglichkeiten einer „menschengerechten“ Arbeitsgestaltung.

Ein guter BEM-Prozess zeichnet sich aus, dass Beschäftigte Unterstützung erhalten (Giesert, Reiter, Reuter 2013, S. 8),

  • „um ihre Arbeitsunfähigkeit zu überwinden,
  • um ihre Arbeitsfähigkeit zu erhalten und zu fördern,
  • um ihren Arbeitsplatz zu erhalten,
  • um ihre Arbeitsanforderungen und Leistungsmöglichkeiten anzupassen bei entlastenden Arbeitsgestaltungsmaßnahmen,
  • um sich aktiv an der Entwicklung und Umsetzung der Maßnahmen zu beteiligen,
  • um die eigenen Stärken und Ressourcen zu erkennen und
  • auszubauen,
  • um Handlungskompetenz für weitere betriebliche Verbesserungsvorschläge zu gewinnen,
  • durch interne und externe Akteurinnen und Akteure,
  • durch ein BEM, das von der betrieblichen Interessenvertretung mitgestaltet wird,
  • durch einen strukturierten, prozess- und ergebnisorientierten Ablauf, der einen umfassenden Datenschutz beachtet,
  • durch ein nachhaltiges Betriebliches Gesundheitsmanagement mit dem Arbeitsschutz, dem BEM und der Betrieblichen Gesundheitsförderung.“