Betriebliches Eingliederungsmanagement in Deutschland und Case-Management in Österreich

So ähnlich sich Deutschland und Österreich auch in der Krankenstandsquote, der Verteilung der Krankenstände nach Krankheitsgruppen oder den Krankenstandskosten sind, so stark unterscheiden sie sich – insbesondere aufgrund unterschiedlicher gesetzlicher Rahmenbedingungen – hinsichtlich ihrer Vorgehensweisen bei der Wiedereingliederung von Langzeiterkrankten.
signet2
Unterstützt durch ein transnationales Forschungsprojekt erklärt diese Webseite die Unterschiede zwischen dem Betrieblichen Eingliederungs-
management in Deutschland und dem Case-Management in Österreich.
 

Ein Bruchteil der Arbeitsunfähigkeitsfälle ist für einen Großteil der Fehlzeiten verantwortlich

In einer Untersuchung der krankheits- und unfallbedingten Fehlzeiten kommt das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung in dem Fehlzeitenreport 2014 zu dem Schluss, dass Fälle, die länger als sechs Wochen dauern, zwar nur 3,5% der Gesamtfälle darstellen, aber weit über ein Drittel (37,3%) der Krankenstandtage verursachen. Zu einem tendenziell ähnlichen Ergebnis kommt der Gesundheitsreport 2014 der deutschen Betriebskrankenkassen (BKK): hier sind 4,0 % der Fälle, die als Langzeiterkrankungen bezeichnet werden können, für beinah die Hälfte (46,2 %) der Fehlzeiten verantwortlich.

Vor diesem Hintergrund stellt die Wiedereingliederung von Langzeiterkrankten für beide Länder eine große Herausforderung dar.
 

Unterschiede in den gesetzlichen Rahmenbedingungen

In Deutschland ist – auf Grundlage des SGB IX (Neuntes Buch Sozialgesetzbuch) – das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) seit 2004 für den Arbeitgeber ein gesetzlich vorgeschriebener organisationaler Prozess. Für die Beschäftigten ist die Inanspruchnahme des Betrieblichen Eingliederungsmanagements freiwillig.

In Österreich steht die individuelle Begleitung des Individuums seit Anfang 2011 durch ein Case-Management-Programm im Vordergrund, welches im Arbeit-und-Gesundheit-Gesetz (AGG) für Einzelpersonen auf freiwilliger Basis gesetzlich verankert ist. Dabei können nicht nur erwerbstätige, sondern auch erwerbslose Personen auf das Unterstützungsangebot zugreifen.

Im Gegensatz zu Deutschland, wo die Unterstützung vorwiegend innerhalb der Betriebe organisiert wird, findet die „fit2work“ Personenberatung außerhalb der Firma in stattlich finanzierten Beratungsstellen statt. Zusätzlich wird für Unternehmen bzw. Organisationen das ebenfalls freiwillige Programm „fit2work“ Betriebsberatung angeboten, um innerbetriebliche Strukturen zur Wiedereingliederung aufzubauen.

Einen Auszug zu den gesetzlichen Reglungen zur Wiedereingliederung von Langzeiterkrankten in Deutschland und Österreich finden Sie hier.
 

Erkenntnisse

  • Es braucht systematische Strukturen und Prozesse, die unternehmensweite Verbindlichkeit besitzen und für alle Beteiligten transparent sind. Bei der Etablierung von Strukturen und Prozessen müssen in beiden Ländern Grundsätze eines BEM beachtet werden, die für ein erfolgreiches BEM Voraussetzung sind.

  • Den Führungskräften die wesentliche Verantwortung für den BEM-Prozess zu geben, stellt sich als sehr anspruchsvoll dar und wird nur in Betrieben gut gelingen, in denen – neben dem Datenschutz – eine ausgeprägte Vertrauenskultur besteht und in denen die Führungskräfte intensiv für diese Aufgabe qualifiziert wurden. Ein ganzheitliches Wiedereingliederungsmanagement kann nur gelingen, wenn allen Beteiligten der Nutzen deutlich wird, eine entsprechende Akzeptanz vorhanden ist und alle – Interessensvertretungen und Arbeitgeber – an einem Strang ziehen und die gemeinsamen Ziele entsprechend kommunizieren.

  • Gelungenes Wiedereingliederungsmanagement ist ein fortwährender Entwicklungsprozess, der untrennbar mit der Unternehmenskultur verbunden ist. Dazu gehört, dass ein firmenspezifisches Eingliederungsmodell entwickelt wird.

  • BEM fester Bestandteil einer umfassenden Gesundheitspolitik des Unternehmens ist und die Themen Arbeitsfähigkeit und Gesundheit nicht nur Lippenbekenntnisse bleiben, sondern auch Maßnahmen auf den Weg gebracht werden.

  • Viele Betriebe wissen nicht um die vielfältigen Unterstützungsmöglichkeiten zum Thema Wiedereingliederung von Langzeiterkrankten. Hier muss an der Transparenz möglicher Leistungen und an der Vernetzung mit Externen weiterhin massiv gearbeitet werden.